Jahresrückblick 2020 (Januar 2021)
von Benedikt Wohlfart für den Winzerverein Heidingsfeld e.V.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder des Winzervereins Heidingsfeld.

Hinter uns liegt ein weiteres Jahr mit Herausforderungen, die wir uns beim letzten regulären Winzerjahrtag noch nicht hätten vorstellen können. Es gab wie jedes Jahr Vor- und Nachteile, die es im Weinbau zu bewältigen gab. Hinzu kam jedoch die Corona-Pandemie, die ab Mitte- Ende März 2020 einige ganz besondere Schwierigkeiten mit sich brachte, die den einen oder anderen Betrieb „kalt erwischt“ hat.
Aber beginnen wir mit den vergleichsweise nachrangig erscheinenden Gegebenheiten der Witterung. Bei den genannten Werten beziehe ich mich auf Daten der LWG Veitshöchheim, der Website wetterkontor.de sowie den Aufzeichnungen von Günter Wohlfart in Heidingsfeld.

Wie mittlerweile fast schon gewohnt, begann das Jahr 2020 im Durchschnitt 3 °C zu warm, was sich bis Mitte März auch nicht ändern sollte. Dadurch entwickelten sich die Reben, wie sich später herausstellen sollte, wieder viel zu früh. Zwar bremsten kalte Luftmassen gegen Ende März Anfang April diese rasante Entwicklung etwas ein, jedoch lagen wir gegen Ende April in der Rebentwicklung rund 19 Tage vor dem langjährigen Mittel. Bis hierhin fielen auch 2020, abgesehen vom Februar, wieder zu wenig Niederschläge und die Wasservorräte waren weitestgehend aufgebraucht.

So freuten sich die Winzer in ganz Franken, als im Mai die Temperaturen zurückgingen und bis zum 11.05. auch Regen fiel. An diesem Tag klarte es dann auf und die Temperaturen vielen in den frühen Morgenstunden am 12.05. unter die 0 °C Linie. An diesem Tag wurde unser Weinfranken gespalten. Durch die nassen und sehr weit entwickelten Triebe schlug der Frost von der Spitze des Maindreiecks flussaufwärts erbarmungslos zu und angesichts der Bilder schossen nicht nur betroffenen Winzern die Tränen in die Augen. Flussabwärts hatten die Betriebe etwas mehr Glück, dennoch gab es auch hier örtlich erhebliche Frostschäden.

Zurückgeworfen durch das Frostereignis vergingen dann wieder gut 4 Wochen bis zur Rebblüte, die im Zeitraum von Anfang bis Mitte Juni in den verschonten Anlagen flächendeckend abgeschlossen war. Frostgeschädigte Weinberge waren teils so betroffen, dass die Blüte erst 4 Wochen verzögert einsetzte und deshalb vielerorts noch im Oktober eine 2. Traubengeneration geerntet wurde. Diese jedoch mit größeren Mengen- und Qualitätseinbußen. Das Wetter war in dieser Zeit von wechselnden Warm- und Kaltphasen geprägt. Dabei fielen auch immer wieder Niederschläge und der Juni konnte eine überdurchschnittliche Wasserbilanz einfahren. Nachteilig wirkte sich der Regen jedoch auf die Blüte aus und so musste eine weitere Ertragsreduktion durch Verrieselung hingenommen werden. Daran anschließend kam auch 2020 eine Trockenperiode über den gesamten Juli und August, die nur örtlich und von einzelnen Schauern Ende August unterbrochen wurde.

Ab der zweiten Septemberdekade konnte dann in die Weinlese gestartet werden und wie in den vergangenen Jahren bedingt durch die Trockenheit, sehr zügig innerhalb 14 Tagen weitestgehend abgeschlossen werden. Zumindest in der 1. Traubengeneration.
Abschließend lässt sich noch sagen, dass 2020 im Schnitt mit 11,3 °C wieder 1,7° wärmer war als das langjährige Mittel und auch die Niederschläge wie die letzten Jahre mit ca. 500 l/qm zu 600 l/qm bei gerade einmal 83 % vom Mittelwert liegen.

Kommen wir nun zum Jahr 2020 aus Sicht des Pflanzenschutzes. Durch die oft wechselnde Temperatur, gerade um den Blütezeitraum war das vergangene Jahr bezogen auf Oidium, so fordernd wie kaum eines zuvor. Der Oidiumpilz benötigt trockene Perioden mit hoher
Luftfeuchtigkeit. Die kleinste Unaufmerksamkeit seitens der Winzer wurde mit einem exponentiellen Pilzwachstum und sehr aufwendigen Maßnahmen quittiert, die zur Eindämmung dann nötig waren. Wieder einmal hat sich gezeigt, dass sich auch die Pilze immer weiter anpassen und sich zunehmend schwieriger im Griff halten lassen. Dies wird uns auch noch weit ins Jahr 2021 hinein begleiten. Die
heterogene Entwicklung durch den Frost stellte auch hier eine besondere Herausforderung dar, waren doch die Trauben der 1. Generation reif, musste die 2. Generation noch weiterhin geschützt werden.

Glücklicherweise waren im Gegenzug die Peronospora und auch andere Erkrankungen, relativ gut in Schach zu halten. Es fällt durch die Mehrung der Trockenjahrgänge aber auf, dass Holzerkrankungen wie die Schwarzholzkrankheit oder sogenannte Virosen, die das Holz zersetzen, zunehmen. Hier zeichnet sich langsam aber deutlich eine Problemstellung der Zukunft ab, sollte die aktuelle Klimaentwicklung weiter anhalten.

Wie eingangs erwähnt und wie alle wissen, hatte das vergangene Jahr aber auch noch einige ganz besondere Herausforderungen für die Gesellschaft und auch für uns Winzer auf Lager. Aus dem 1. Corona-Lockdown im Frühjahr kommend, war es für viele Betriebe nicht möglich, die gewohnten Helfer aus EU-Nachbarländern, die zum Brechen von Arbeitsspitzen im Mai und Juni dringend benötigt werden, zu beschäftigen. Dieses Problem konnte zumindest teilweise durch den Überschuss an Arbeitskräften in der Gastronomie gedeckt werden und so war doch für den einen oder anderen Studierenden Weinberg statt Kellnern angesagt.

Ein weiteres Problem entstand dann im Sommer vor der Weinlese, als unser bayerischer Freistaat die Regelungen für landwirtschaftliche Betriebe bereits im Juli wieder verschärfte, als ein Allgäuer Betrieb als „Corona-Hotspot“ identifiziert wurde. Zu diesem Zeitpunkt glaubten wohl viele, die Pandemie sei im Griff und eine gewisse Fleischerei sei ein Einzelfall. Wir wurden eines Besseren belehrt.

Die Weinlese unter diesen Voraussetzungen, gepaart mit dem Druck des zusammenrückenden Erntezeitpunktes durch die Trockenheit und die Ungewissheit über die Gesundheit meiner Lesehelfer machten die Weinlese 2020 für mich mit Abstand zur schwierigsten und anstrengendsten, die ich bisher einfahren durfte. An dieser Stelle ist es mir außerordentlich wichtig, mich bei meinen Winzerkolleginnen und Kollegen für die erbrachte Sorgfalt und auch bei allen Helfern für die Unterstützung, ungeachtet des Infektionsrisikos, das trotz aller Vorsicht in diesen Tagen ja immer besteht, zu bedanken.

VIELEN DANK

Leider bin ich hier noch nicht am Ende der langen Liste an Schwierigkeiten, die wir letztes Jahr bewältigen mussten. Denn ein entscheidendes Problem möchte ich noch ansprechen. Durch die massiven Einschnitte im Gastronomie- und Veranstaltungsbereich, die bis heute noch anhalten, hatten viele Betriebe nicht die Möglichkeit, ihre Weine bei Weinfesten, -Proben oder ähnlichen Events zu vermarkten. Wenn die Vertriebsstruktur den Schwerpunkt auf diesen Bereichen hat, ist ein gestandener Weinbaubetrieb schnell existenzbedroht. Unter diesem Aspekt musste auch unser Werkingstraßenweinfest, wie viele andere leider ersatzlos gestrichen werden.

Fazit:
Hinter uns liegt ein Jahr, das uns Winzer über alle Maße hinaus gefordert hat und uns alles abverlangte. Viele Betriebe sind durch die Wetterereignisse schwer getroffen. So liegt der Hektarertrag gerade bei 45 hl/ha statt der möglichen 90 hl. Dabei verteilen sich die 50 % auch noch ungleich durch den Frost vom 12.05. Einige Winzer sind massiv existenzgefährdet durch die Probleme, die wir aufgrund der Pandemie bewältigen müssen. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb soll aber auch gesagt sein, dass der 2020er Weinjahrgang beim Punkt Qualität seinesgleichen sucht! Ein Stück weit entschädigt mich persönlich diese Qualität und jede Flasche, die ich von diesem Jahrgang, der außergewöhnlicher nicht sein könnte, genieße.

Ich bin der Meinung, dass das Jahr 2020 uns und die Gesellschaft verändert hat. Die Auswirkungen werden wir die nächsten Monate und Jahre feststellen. An diese Veränderung möchte ich jedoch auch einige Hoffnungen und Wünsche knüpfen:
Ich hoffe, die Leute fangen wieder an, ihre Mitmenschen wahrzunehmen, damit Rücksichtnahme möglich wird. Idealerweise wird dann nicht 3 Tage vor der Weinlese von der BAB-Baustelle die wichtigste Zufahrt in die Weinberge samt der Einmündung in den Barbarossa-Weg abgerissen.

Ich wünsche mir, dass die Menschen die Toilettenpapierknappheit einmal auf Lebensmittel übertragen, denn die Pandemie hat uns gezeigt, wie schnell unsere Grundbedürfnisse gefährdet sind, bleiben die Regale im Supermarkt leer.

Ich hoffe, die Menschen nehmen es wahr, dass Lebensmittel in der Landwirtschaft erzeugt werden.

Und zu guter Letzt wünsche ich mir, dass die Politik dies im Hinterkopf hat, wenn wieder Entscheidungen im Sinne des Umweltschutzes getroffen werden, die Landwirte jedoch die Existenz kosten, wie es die aktuelle Düngeverordnung tut. Diese schränkt beispielsweise die Nährstoffgabe im Ackerbau so sehr ein, dass Braugerste praktisch nicht mehr erzeugt werden kann. Diese ist dann Futtergetreide.

Möchten wir uns nach allem, was wir durch die Pandemie gelernt haben, mit unseren Lebensmitteln so sehr abhängig machen von Ländern, in denen mit Verlaub, Grundwasser niemanden interessiert?

Die nächste Frechheit hat Bundesumweltministerin Schulze übrigens bereits vorbereitet. Hier werden beispielsweise im Sinne des Insektenschutztes, über Generationen gepflegte Streuobstwiesen zu Biotopflächen erklärt und können dann nicht mehr nach guter fachlicher Praxis bewirtschaftet werden.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen ein erfolgreiches Jahr 2021, in dem wir hoffentlich ein Stück weit „Normalität“ zurückbekommen.

Vielen Dank

Benedikt Wohlfart

Quellen:
Günter Wohlfart
LWG Veitshöchheim
www.wetterkontor.de

Den gesamten Vortrag können Sie sich auch hier als PDF herunterladen: Jahresrückblick 2020(1).pdf